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7, Der Realismus in der Literatur

Das Wirkliche, Goethe, Schiller und die Literaturzirkeln des 19. Jahrhunderts. Wie realistisch war es, als es im 19. Jahrhundert erfunden wurde? Und heute?

Das Wort, lateinisch "res", bedeutet: "Ding", "Sache", "Wirklichkeit".
Doch es sollte durchaus nicht die nackte Wirklichkeit sein, die Dichter und Schriftsteller im 19. Jahrhundert zu schreiben hätten. Die Wirklichkeit sollte – und wurde – mit den eigenen Empfindungen bereichert, mit Witz und Ironie verklärt werden (so in Königs Literaturgeschichte, 1848 – 1890).
Die heißen Diskussionen über das Thema wurden selbstredend nicht in der breiten Öffentlichkeit geführt, sondern in literarischen Zirkeln, wie der Berliner "Tunnel über der Spree". Der Name des 1827 gegründeten Klubs sagt bereits viel über seine Mitglieder und über deren Realismus.
Bereits für Goethe (1749 – 1832) und Schiller (1794 – 1805) war die sichtbare Wirklichkeit nur der Stoff, aus dem der Künstler sein eigenes Werk schaffen sollte.
Und außerdem: Das lateinische "res" für die Wirklichkeit, hat einen nahen Verwandten in Rex, dem König – italienisch il Re, spanisch el Rey, französisch Le Roi. So neige ich dazu, im höheren Phantastischen Realismus etwas Schillerndes, Edles zu sehen.
Aber noch einmal Goethe: Soweit ich mich an mein Germanistik-Studium erinnere, hat der Dichterprinz gefordert, dass ein literarisches Werk hinter den Schilderungen einen spürbaren Sinn, einen Hintersinn, beinhalten möge. Möglicherweise vermutete er dabei, dass nicht jeder Leser diesen zweiten, tieferen, eben essenziellen Inhalt verstehen werde. Dazu melde ich mich als Zeuge und gebe zu, dass ich seinen folgenden Vierzeiler nicht verstehe:

Wäre nicht das Auge sonnenhaft,
Die Sonne könnt' es nie erblicken;
Leg' nicht in uns des Gottes eigne Kraft,
Wie könnt' uns Göttliches entzücken.

Sonnenhaft? Göttliches? Gott? Soweit Goethe und der Realismus – der mir recht phantastisch scheint. Schließlich der große ungarische Dichter des 19. Jahrhunderts Arany János (1817 – 1882): Nicht das Wirkliche, O, nein! Des Wirklichen göttliches Ebenbild Bringt den Zauber ins Lied. (so die zweifellos unvollkommene, dafür die weitgehend worttreue Übersetzung von mir, P.P.M).

Weiter zum Kapitel 8, Der höhere Realismus bei Cervantes. Und der sagenhafte Kampf gegen die Windmühlen.

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